Krebs, die Dritte

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Als ich nach den neuen Untersuchungen, nach dem Tumorboard (interne Besprechung aller Ärzte, die mit mir und meinem Fall zu tun haben, wo beraten wird, was zu tun ist- Patient ist dabei ausgeschlossen) wieder ins Spital zur Besprechung kam, wie es nun aussieht, warum sich die Narbe verändert hatte, kam einer der Oberärzte und meinte ohne Umschweife –

„Dass es wieder bösartig ist, war Ihnen ja klar Frau Beer.“

Öhm, also bisher nicht wirklich^^ – Schock! Der Krebs war zurück gekehrt!

Ohne eine Verschnaufpause fuhr er fort

„Den Termin für die Amputation der Brust können Sie gleich mit meiner Assistentin ausmachen.“

A M P U T A T I O N ?

Bitte?? Was?? Amputation??

„Ja, da hilft nun alles nichts. Wir müssen Ihnen leider die Brust abnehmen. Totalamputation der linken Seite. Da es ein Rezidiv ist, also der Krebs nun zum 2. Mal wieder aufgetreten ist, gibt es leider keine andere Möglichkeit.“

Im selben Moment flossen meine Tränen hemmungslos. Ich war so aufgewühlt, schockiert, konnte mich gar nicht mehr beruhigen, so dass nun eine psychologische Beraterin gerufen wurde.

Was habe ich bitte getan, dass ich so gestraft werde? Hatte ich nicht schon genug in meinem Leben mitgemacht, genug an negativen Erfahrungen erlebt, immer einen Kampf nach dem anderen ausgefochten??

Und nun das! War ich in meinem letzten Leben ein Massenmörder, dass ich in diesem nun das Karma so hart ausgleichen muss?

„Da Sie wahrscheinlich zum Thema Chemo noch gleicher Ansicht sind und dies ablehnen, müssen wir gleich operieren. Oder stehen Sie in der Zwischenzeit anders dazu?“

– was wäre denn, wenn eine Chemo gemacht werden würde?

„Dann machen wir zuerst eine Chemo und im Anschluss dann die Op!“

Aha

Nein, keine Chemo.

„Gut, also dann nur die Operation, danach bekommen sie zusätzlich eine Hormontherapie, damit sich der Brustkrebs nicht neuerlich zeigt.“

Wo soll er sich denn neuerlich zeigen, wenn dann nichts mehr da ist??

„Sie haben auch noch eine zweite Seite.“

Logisch

Und wenn man gleich beide Seiten macht?

„Tut mir leid. Das ist bei uns leider nicht möglich. Rein nur zur Vorsorge können wir nicht eine gesunde Brust amputieren.“

Nebenher versuchte mich die Psychologin zu beruhigen. Nicht einmal Taschentücher hatten sie da! Der Zellstoff, den ich als Notbehelf zum Tränen trocknen bekam, war nach kürzester Zeit durchnässt und löste sich bereits auf. Gerade in solchen Ordinationen sollte man mindestens eine 1000er Packung an Taschentüchern da haben.

Was sollte nun werden? War noch nie so verzweifelt, am Boden zerstört.

Die Psychologin fragte, ob das für mich denn ein so großer Verlust wäre.

? Wie meinte sie das? Ja natürlich!! Was für eine Frage! Wenn jemandem mitgeteilt wird, dass man von ihm ein zu ihm gehörendes Körperteil abschneiden möchte und dies bei einer Frau noch dazu die Brust ist, natürlich ist das ein Verlust. Ein nicht auszugleichender. Mit der Brust verbindet man ja das Weibliche an sich (zumindest in vielen Fällen). In meinem Fall war das so. Und es gab bis zu diesem Zeitpunkt nicht viele Stellen an meinem Körper, auf die ich stolz war. Nun, meine Brust gehörte aber definitiv dazu. Eigentlich war es das Einzige an mir, dass ich schön fand und worauf ich stolz war.

Also: Jaaaaaaaa! Ein enormer Verlust!

Definieren Sie sich nur über Ihre Oberweite?

Also was sollte das jetzt bitte? Sollte mich diese Dame nun nicht beruhigen, mich trösten, Händchenhalten?

Doch dann kam der Gedanke auf, dass es ja eigentlich „nur“ ein Teil meines Körpers ist. Dieser Gedanke war aber nur kurz da, zu groß noch der Schmerz.

Ich fuhr heim.

Einige Tage später gab es im Ort eine Veranstaltung, Krampuslauf mit Feuershow oder so was in der Art. Ich „feierte“. Allein. Mitten im Trubel, aber dennoch alleine.

Zwei Tage später OP.

Es war alles so unwirklich. Geschah das alles nun wirklich? Mir?

Mit meinem operierendem Chirurgen und Oberarzt (war ein Anderer, als der, der mir die Diagnose mitteilte) führte ich oft Diskussionen. Lange und ausführliche Diskussionen. Sein Plan war ja, die Brust zu amputieren und einen Aufbau in einer zweiten Op zu machen. Also ein Siliconimplantat in der nächsten Operation einzusetzen. Zudem die Brustwarzen zu entfernen (da hier eventuell noch Krebszellen vorhanden sein „könnten“) und das fehlende dann im Anschluss dann tätowieren zu lassen. Ich liebe ja Tattoos, habe ja auch selbst einige, aber das wollte ich dann doch nicht.

Also einigten wir uns auf- keine Entfernung der Mamille und ob gleich ein Implantat in der jetzigen Op eingesetzt wird, wird dann vor Ort entschieden.

Ich hatte Me-ga-Schiss! Meine Nerven lagen blank. Zudem kam ja noch meine Angst, nicht mehr aus der Narkose aufzuwachen. Keinen Schimmer, woher diese Angst kam, aber sie war da. Und sie war sehr präsent.

Und so nebenbei die Ungewissheit, wie ich aussehe, wenn ich aufwache (wenn! ich aufwache! Für den Fall des Falles, hatte ich meinem Sohn bereits alle Unterlagen bereit gelegt). Wird mir ein Implantat eingesetzt? Kommt das später? Und wie sieht das aus, wenn amputiert wird? Nach Erfahrungsberichten von anderen Patienten ist dann ja nicht der Fall, dass es einfach gerade herunter geht, also dann einfach nur flach ist (als ob das nicht schon genügen würde..), nein, es wäre dann so eine Art Loch, eine Wölbung nach innen. Jipieh 😦

Tag X!

Ich wurde operiert!

Und ich muss sagen, die Schwestern, das komplette Op Team, jeder Einzelne, war ausgesprochen freundlich und einfühlsam. Ich fühlte mich sicher und gut aufgehoben.Es war sehr persönlich, ich war nicht irgendeine Nummer.Auch im OP Saal wurde mir alles ganz genau erklärt, was nun gerade gemacht wird, warum, wie lange usw. Ich spürte, wie ich angeschlossen wurde.

Ich schlief ein.

 

Fortsetzung folgt…

 

 

 

 

 

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18 Gedanken zu “Krebs, die Dritte

  1. „Definieren Sie sich nur über Ihre Oberweite?“
    OMG, das geht gar nicht!
    Schneid einem Mann sein bestes Stück ab und frag ihn, ob er sich nur über sein Schw.. definiert. Auf die Idee käme wohl niemand, aber wir Frauen sollen das immer alles stoisch hinnehmen.
    Ich bin entsetzt über die Gleichgültigkeit und Emotionslosigkeit dieses Gesundheitssystems.

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  2. Die teilweise Kaltschnäuzigkeit und kalte Berechnung der Akteure mit Blick auf die Kassenabrechnung sind mir von der Erkrankung meiner Mutter vor einigen Jahren her bekannt. Wohl dem, der selbst entscheidet.

    Lieben Gruß.

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        • Oh, daran hatte ich gar nicht gedacht, wie es rüber kommen könnte. Nun , zwischenzeitlich gab es sehr wohl Momente, wo ich mir dachte, nein, nein, nein..oder manchmal nicht einmal das, aber das Leben geht weiter und..eigentlich ist es ja wirklich nur ein Körper. Man muss dabei nur acht geben, dass der Seele nicht ebenfalls ein Teil mitabgeschnitten wird… Danke für Deine Worte ❤

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          • Der Körper ist genau so wichtig wie die Seele. Es ist traurig und im wahrsten Sinne des Wortes verletzend, wenn Krankheiten Teile davon zerstören. Und darum darf man auch traurig, verzweifelt und wütend sein. Du beschreibst Deinen Umgang damit und ich lese heraus, dass Du Dich wieder auf die Füße stellst und das Leben annimmst, so wie es ist. Traurig und wunderbar, wenn der Krebs überlebt wurde. Liebe Grüße und weiter so! Regine

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          • Ja, nehme das Leben an, wie es kommt und versuche! mir wundervolle Momente zu gönnen, mehr als vorher. Bewusster zu leben! Jeden Moment wertzuschätzen. Jedoch ist es bei mir noch immer so, dass der Alltag mich zu oft in Anspruch nimmt und ich dann gerne darauf vergesse- hatte nun 2 x die Chance etwas zu ändern, denke, ein 3 x könnte es sich nicht mehr ausgehen. Daher nun schön langsam, ein komplettes Umdenke 🙂 Danke für Deine lieben und aufbauenden Worte liebe Regine – ❤ Glg

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  3. Sylvia Kling - Autorin schreibt:

    Das ist sehr ergreifend, was Du schreibst. Ich bin entsetzt wie man vor der OP mit Dir umgegangen ist. Hat man denn als Arzt alles Gefühl für den Menschen schon verloren oder diese Psychologin. .. – völlig deplatziert dort.

    Mich berührt Deine Geschichte sehr. Du hast meinen größten Respekt 💜💛💚💗.

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    • Herta Beer schreibt:

      Danke! Tja, der eine Arzt, der mir die Diagnose mitteilte, war wirklich sehr..hmm..abgehärtet?^^ Jedoch der andere Arzt, der mich im Anschluß betreute, operierte war erste Klasse! Er nahm sich immer viel Zeit für mich, beantwortete alle Fragen, ging auf mich ein und..mit der Zeit war ich auch schon bekannt dafür, dass ich alles hinterfragte und darüber dann mit ihm diskutierte hehe Er fragte dann oft:“ Worüber diskutieren wir heute frau Beer?“ und auch bei Visiten, wenn andere Schwestern oder Ärzte mit dabei waren, klärte er sie gleich auf, dass ich jemand bin, der gerne alles genau wissen und darüber diskutieren möchte, wenn ich anderer Meinung bin 😀

      Gefällt 2 Personen

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